Erfolgsgeschichte für den Naturschutz
In den siebziger Jahren war der eigentlich global vertretene Wanderfalke unmittelbar vom Aussterben bedroht. Weltweit waren die Bestände von 1950 bis Anfang der siebziger Jahre bis zu 90 Prozent zurückgegangen. Das 1948 mit einem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnete Insektenvertilgungsmittel DDT setzte ihm zu. „Seine Eier wurden immer dünnwandiger und zerbrachen beim Brüten“, schildert Günther Hagemeister, Vorsitzender des Naturschutzbunds Heppenheim, die Misere.
Seit der Freigabe war DDT weltweit in immer größeren Mengen in der Landwirtschaft, zur Bekämpfung von Kartoffel-, Mai- oder Borkenkäfern, von Schwammspinnern sowie zur Entlausung von Menschen und zur Eindämmung von Insekten, die Malaria und Fleckfieber verbreiten, eingesetzt worden. Da er fettlöslich ist, reicherte sich die hormonähnlich wirkende Chemikalie in der Nahrungskette an. Bereits Mitte der fünfziger Jahre ergaben Untersuchungen in den USA negative Wirkungen insbesondere auf den Bestand von Falken und anderen Greifvögeln. Anfang der siebziger Jahre wurde die Verwendung in der Landwirtschaft in den USA und in vielen Ländern Westeuropas verboten. Seit 1977 darf es in Deutschland nicht mehr hergestellt oder gehandelt werden. DDT wird aber noch immer gegen Anophelesmücken eingesetzt, die die Malaria übertragen. Um auf die Bedrohung aufmerksam zu machen, wurde der Wanderfalke 1971 als erste Art in Deutschland zum „Vogel des Jahres“ erklärt.
In ganz Deutschland waren zu dieser Zeit weniger als 50 Brutpaare übrig. „In Hessen lebte 1981 nur noch ein Brutpaar im Neckartal“, sagt Hagemeister. Nicht nur DDT, sondern auch Brieftaubenzüchter, die um ihre Vögel fürchteten, und illegale Aushorstungen hätten zuvor die Bestände reduziert. „Durch intensive Horstbewachungen und umfangreiche Schutzmaßnahmen gelang es, den Falken langsam wieder aufzupäppeln“, erläutert der Nabu-Vorsitzende.
Ein Auswilderungsprogramm, bei dem von 1978 bis 1992 insgesamt 203 gezüchtete Jungfalken in die Natur entlassen wurden, habe dafür gesorgt, dass immer mehr Falken wieder ihre ursprünglichen Biotope in Felswänden besetzten und dort brüteten. Im Jahre 2000 gab es in Hessen dann wieder 46 Brutpaare. Von da an habe die Zahl der Brutpaare rasant zugenommen. „Heute haben wir in Hessen wieder über 130 Brutpaare der tollen Vögel“, freut sich Hagemeister.
In Heppenheim bezogen Wanderfalken bereits früh den Steinbruch Röhrig in Sonderbach und seien dort von den Eigentümern in vorbildlicher Weise geschützt worden. Die Felswand, in der der Falke brütete, wurde viele Jahre nicht gesprengt. Sogar ein Brutkasten wurde in einer Felswand angebracht, den der Falke bisher aber noch nicht genutzt habe. „Natürliche Felsnischen scheinen ihm besser zu gefallen“, konstatiert Hagemeister.
Falke, Uhu und Tauben leben nebeneinander
Oft sei im Steinbruch auch zu beobachten, wie der Wanderfalke lange zusammen mit Ringeltauben auf einem Ast einer alten Lerche sitzt, ohne dass die Tauben Angst vor ihrem größten Feind hätten. Wanderfalken sind als rasante Flieger, die im Sturzflug Geschwindigkeiten bis 140 Kilometer pro Stunde erreichen, darauf spezialisiert, andere Vögel zu erbeuten. „Vielleicht erkennen die Tauben, dass der Falke satt ist und kein Interesse am Jagen hat“, sagt der Nabu-Vorsitzende. Nachdem im Steinbruch auch der Uhu brütet, fürchteten die Naturschützer immer, dass der große Nachtgreifvogel einmal den Wanderfalken zur Beute macht. Dies sei in den vielen Jahren aber vermutlich noch nicht passiert. Die beiden lebten getrennt in den beiden Steinbrüchen und friedlich nebeneinander. Die Verluste an Jungfalken, die immer wieder zu beklagen seien, hätten andere Ursachen.
Die Heppenheimer Vogelschützer sind sich sicher, dass wohl die meisten heimischen Wanderfalken aus den Bruten im Sonderbacher Steinbruch abstammen. Vor wenigen Jahren beobachteten sie gerade flügge gewordene Falken auf einem Hochspannungsmast der Bundesbahn in der Nähe des Naturschutzzentrums Bergstraße. Wahrscheinlich diente dort ein altes Krähennest auf der Traverse des Mastes als Horst. Keiner der dort häufig weilenden Naturschützer hatte zuvor den Brutplatz entdeckt.
Auf diesem Mast wurde dann aufwändig ein Brutkasten installiert, der seitdem jährlich bewohnt ist und immer wieder zu erfolgreichen Bruten führt. Parallel zum Anstieg der Falkenpaare eroberten die Vögel auch neue Nisthabitate. Nicht nur die Felswände dienten jetzt als Brutplatz, markante Gebäude, Autobahnbrücken, hohe Schornsteine oder Sendemasten wurden ebenfalls besetzt.
Im Kreis Bergstraße gebe es mittlerweile jedes Jahr etwa zehn Brutpaare: Bekannte Standorte sind am Atomkraftwerk Biblis, in Lampertheim, an der Apostelkirche in Viernheim, im Steinbruch Röhrig in Sonderbach, am Sender von Radio Free Europe in Lampertheim-Hüttenfeld, am Naturschutzzentrum Bensheim sowie an vier Standorten im Neckartal,
„Der schon fast ausgestorbene Wanderfalke hat nur durch die intensiven Schutz- und Forschungsmaßnahmen der Naturschutzverbände überlebt. Dies ist eine der größten Erfolgsgeschichten des Naturschutzes“, betont Hagemeister: „Wer den Wanderfalken einmal bei seinen einmaligen Flugmanövern beobachten konnte, der kann sich vorstellen, wie glücklich alle Ornithologen waren, als man erkannt hat, mit dem Totgeglaubten geht es wieder aufwärts“.
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