Refugium für flinke Reptilien

By 12. Oktober 2018Unkategorisiert

Die zwölfjährige Jette ist gespannt. Ob in das Biotop, dass sie gerade mit den anderen Kindern gebaut hat, im kommenden Frühjahr tatsächlich Mauer- und Zauneidechsen einziehen werden? Sie will auf alle Fälle wiederkommen und sich davon mit eigenen Augen überzeugen. Paul ist begeistert vom Spielen und Arbeiten in der Natur. „Immer diese Arbeit“, scherzt die zehnjährige Jule, die gerade ein Päuschen mit Marie macht. Die anderen lesen gerade Äpfel auf.

Rund 600 Quadratmeter groß ist das an der Sonderbacher Werkstraße gelegene, steil abfallende Gelände, das die Firma Röhrig Granit gekauft hat. Hier wird nicht etwa der Steinbruch erweitert. Gemeinsam mit dem Nabu will das Unternehmen einmal mehr ein Zeichen in Sachen Naturschutz und Nachhaltigkeit setzen. Am Dienstag packen dort fleißige Helfer im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren mit an, um aus der großen Wiese ein Paradies für Tiere und Pflanzen zu machen. Es wieder Workshop-Zeit für Kinder.

Durchdachtes Chaos aus Steinen und Ästen

Mehr als 180 Anmeldungen gab es im Sommer für das einwöchige Ferienerlebnis, doch nur 85 Kinder können aus Platzgründen teilnehmen. Die nicht zum Zuge kamen, hatten die Chance, während der Herbstferien zwei spannende und lehrreiche Tage rund um das Thema Natur und Naturschutz zu verbringen. Insgesamt 33 Mädchen und Jungen aus dem Kreisgebiet waren mit Begeisterung dabei. Betreut wurden sie von Günther Hagemeister vom Naturschutzbund (Nabu) Heppenheim und dem bewährten Röhrig-Team, bestehend aus Birgitt Bauer, Marco Röhrig, Jovita Röhrig, Mario Helfert, Rüdiger Hamann und Nicole Schroeter.

Dort hieß es erst einmal Steine und kleine Stämme schleppen: Unweit des Bienenvolks und der reich tragenden Apfelbäume entstand ein Habitat für allerlei Kleingetier. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Haufen durcheinandergeworfener Steine und Äste ist mit viel Know-how gebaut. Denn wenn man etwas falsch macht, nehmen die Eidechsen den Bau nicht an und bleiben weg. Es entstanden Wärmeinseln, ein Unterbau aus Sand und Felsenkies für die Eiablage, Grassoden zum frostfreien Überwintern. Auf Holz sind die flinken wechselwarmen Tierchen besser getarnt. Außen herum werden noch Pflanzen eingesät, die Schmetterlingen Nahrung bieten. Bei seinem Streifzug über die große Wiese war Hagemeister ganz überrascht, dort die seltenen Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulinge flattern zu sehen. Die finde man normalerweise eher dort, wo es Feuchtwiesen gibt. Den kleinen Schmetterling zeichnet aus, dass er seine Eier in die Knospen des Wiesenknopfs legt; die Larven fallen zu Boden, werden von Ameisen in deren Bau getragen und ernähren sich dort von der Ameisenbrut.

Vier Bäume pflanzten die Kinder gemeinsam, um den Anfang zu machen für eine Streuobstwiese: Birne, Apfel, Kirsche und Quitte. Weitere sollen im November folgen. Streuobstwiesen gibt es immer weniger, erklärte Hagemeister.

Aus den selbst gelesenen Äpfeln der vorhandenen Bäume kelterten die Kinder am Nachmittag ihren eigenen Saft. Noch weitere „wilde Ecken“ sollen in den nächsten Monaten entstehen. Im September hat eine Abordnung des Hessischen Umweltministeriums sich das Terrain angesehen, für tauglich befunden und das gemeinsame Engagement von Nabu und Unternehmen gelobt.

Vorbildfunktion 

Dass ein aktiver Steinbruch als FFH-Gebiet – Flora-Fauna-Habitat – unter Schutz steht, dass man Abbau und Naturschutz unter einen Hut bringen kann, dafür war der Steinbruch der Firma Röhrig Vorreiter für ganz Deutschland, wie Günther Hagemeister erklärt. Ob Uhu oder Gelbbauch-Unke, für die die Kinder drei Tümpel angelegt haben, geschützte Tierarten zeugen davon, dass es funktioniert. Mittlerweile haben einige Steinbruchbetreiber nachgezogen. Sie hätten nun auch erkannt, dass die Naturschützer keine Feinde seien – und umgekehrt. Hagemeister selbst findet den Blick in die Erdgeschichte, den so ein Steinbruch gewährt, äußerst spannend. (rid)

Am Dienstagvormittag wurde nach dem gemeinsamen Frühstück erst einmal gebastelt, unter anderem entstanden Nistkästen, die man später aufhängte. Dann ging es ins Gelände.

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(12. 10. 2018)