Giftige Schöne aus dem Steinbruch
Von oben ist sie unscheinbar. Die schlammig-braune, warzige Haut verschmilzt optisch mit dem Untergrund. Doch der Name ist Programm: Wer einmal die leuchtend gelb-schwarze Bauchseite der Gelbbauchunke gesehen hat, wird sie nicht mehr vergessen und auch nicht mit anderen Lurcharten verwechseln. Mit der Warnfärbung auf dem Bauch, die in der Farbgebung an Wespen oder ADAC-Autos erinnert, versucht die Unke Fressfeinde vor ihren Hautgiften zu warnen: Bei Gefahr biegt sie wie ein Kahn Vorder- und Hinterbeine nach oben und zeigt Teile der bunten Unterseite.
Die erwachsenen Tiere haben deshalb kaum natürliche Feinde. Die Hautgifte sind auch bei Menschen wirksam, wenn sie in Kontakt mit den Schleimhäuten kommen. Sogar Wissenschaftlern passiert es ab und zu, dass sie sich die Nase reiben, nachdem sie Unken in der Hand hatten. Dann läuft die Nase beim sogenannten Unkenschnupfen, berichtet Günther Hagemeister, Vorsitzender des Nabu (Naturschutzbund) Heppenheim.
In Hessen und den angrenzenden Bundesländern gilt das Amphib wegen der Zerstörung seiner Lebensräume als „stark gefährdet“. Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde hat die Unke zum Lurch des Jahres 2014 ernannt. Der Bestand im Steinbruch Röhrig im Heppenheimer Stadtteil Sonderbach gehört zu den fünf wichtigsten Vorkommen in Hessen: 350 ausgewachsene Unken sowie Jungtiere aus dem Vorjahr hat Biologe Dominik Heinz vom Nabu Hessen dort gezählt. Dazu kommen 500 Kaulquappen, die die Metamorphose zum erwachsenen Froschlurch fast abgeschlossen haben und demnächst an Land gehen.
STECKBRIEF: DIE GELBBAUCHUNKE
Name: Gelbbauchunke (Bombina variegata). Bombus bedeutet „dumpfer Ton“ und bezieht sich auf die Rufe, variegatus steht für „bunt, scheckig“ und beschreibt die bunte Bauchunterseite.
Verwandtschaft: Gattung Unken, Familie Bombinatoridae, Ordnung Froschlurche, Klasse Lurche (Amphibien).
Vorkommen: Mittel- und Südeuropa, Überschneidung in Osteuropa mit der verwandten Rotbauchunke (Bombina bombina).
Größe: Larven 6 bis 10 Millimeter, 50 Millimeter kurz vor der Metamorphose, erwachsene Unken 40 bis 55 Millimeter.
Alter: Bis zu 20 Jahre.
Entwicklung: Die Weibchen legen in der Regel 10 bis 20 Eier. Abhängig von der Temperatur brauchen die Kaulquappen nach dem Schlüpfen etwa vier Wochen für die Entwicklung.
Gefährdung: Laut Roter Liste in Hessen stark gefährdet, weil Bach- und Flussauen mit temporären Kleingewässern verschwinden. Pfützen, Steinbrüche und Truppenübungsplätze dienen als Ersatz
Bestand in zwei Jahren mehr als verdoppelt
Der Bestand im Steinbruch Röhrig habe sich seit Beginn eines Schutzprojekts in fünf Bundesländern vor zwei Jahren mehr als verdoppelt, sagt Heinz. Er leitet in Hessen das Projekt für die Erhaltung und Stärkung der Art. Anhand der individuellen Bauchzeichnung können die Naturschützer die Tiere mit Hilfe von Computerprogrammen auseinanderhalten.
Dass sie in Heppenheim so gut gedeihen, ist dem Engagement der Familie Röhrig als Betreiber des Steinbruchs in Sonderbach zu verdanken. Auch Uhu und Wanderfalken haben im Steinbruch ein Refugium gefunden. „Mit den Röhrigs haben wir fantastische Unterstützer gefunden“, lobt Hagemeister. Keine Mühe sei ihnen zu viel, um die Tiere zu erhalten. Kaum äußerten die Naturschützer einen Wunsch, komme fast im selben Augenblick ein großer Bagger, um etwa ein Loch für ein neues Laichgewässer auszuheben. Bei Trockenheit fährt schon mal ein Wasserwagen vor, um die flachen Pfützen, in denen die Lurche laichen, wieder aufzufüllen.
Über den Berg ist die Unke damit noch lange nicht. Die Population ist isoliert und hat keine Verbindung zu anderen Vorkommen in Bensheim oder im Jägersburger Wald. Die Unken würden zwar bis zu 20 Jahre alt, erläutert Hagemeister, aber sie sind nicht gut zu Fuß. Nur in einem Umkreis von ein bis zwei Kilometer wanderten die Tiere. Sie bräuchten einen Biotopverbund, um sich auszubreiten. Der Sonderbach sei geeignet, ergänzt Heinz. Dann müssen aber wieder Laichgewässer in passenden Abständen angelegt werden.
Steinbrüche oder Truppenübungsplätze sind die letzten Rückzugsgebiete der Gelbbauchunke. Eigentlich sind sie spezialisiert auf kleine Gewässer, die durch die natürliche Dynamik mit Hoch- und Niedrigwasser in Flussauen immer wieder neu entstehen. Doch diese Lebensräume sind durch die Begradigung von Flüssen und Bächen weitgehend verschwunden. Früher nutzten sie zudem Traktorspuren auf Feldwegen. Seit Feldwege größtenteils asphaltiert sind, funktioniere das auch nicht mehr, bedauert Hagemeister.
Im Gegensatz zu anderen Lurchen legen die Unken nur wenige Eier: in der Regel 10 bis 20 in einem Päckchen, pro Saison insgesamt rund 80 Eier. Fische, Libellenlarven oder Gelbrandkäfer haben Laich und Larven zum Fressen gern. In den Tongruben machen ihnen eingeschleppte Fischarten wie Sonnenbarsche oder Blaubandbärblinge zusätzlich das Leben schwer. Seit vier Jahren seien dort keine Unken mehr nachgewiesen worden, so Heinz. Helfen könnte man den Unken auch mit einem Teich, der nur im Sommer Wasser enthält. Aber Goldfische dürfen dort keine rein. Die asiatischen Karpfen fressen alles, was ihnen vor die Schnauze kommt.
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