Wenn Steine erzählen könnten

By 31. Mai 2012Unkategorisiert

Die Lehrkräfte Nicole Güting und Christine Angerbach von der Eichendorff- sowie Beate Göbel und Mike Krauß von der Schloss-Schule staunten nicht schlecht über den Fantasiereichtum ihrer Zöglinge. Ihr Urteil fiel unisono aus: „Denen macht das hier richtig Spaß“ – der sich dann noch steigerte, als sie die von ihnen gefertigten Objekte mit nach Hause nehmen durften. Gratis dazu gab ́s außerdem das Röhrig- Maskottchen, den „Steinbeißer“. Um die Mittagszeit wurde ein kleiner Imbiss aufgetischt. Arbeiten macht schließlich hungrig.

Dem Spaß lag insofern eine durchaus ernst gemeinte Absicht zugrunde, als den Kleinen in spielerischer Form ein Einblick in die Arbeitswelt gewährt und ihnen vor allem die Vielseitigkeit eines Rohstoffes vermittelt werden sollte, über dessen Wert selbst Erwachsene sonst kein Wort verlieren. Wer macht sich schon ernsthaft Gedanken über Steine? Steine sind einfach da – damit hat es sich. Basta! Die über den Workshops stehenden Arbeitstitel hätten nicht treffender lauten können: „Steine zum Anfassen und was wir aus ihnen machen“ sowie „Kreativ mit Farbsanden aus aller Welt.“ Juniorchef Marco Röhrig durfte nach den zwei Tagen auch deshalb ein positives Resümee ziehen, weil es ihm und seinen Mitarbeitern gelungen war, Interesse zu wecken. Mission erfüllt, wenigstens fürs erste. Weitere Workshops sollen folgen.

„Röhrig Granit“, das wurde den interessiert lauschenden Kindern bald klar, ist nicht irgendein Steinbruch, aus dem über die firmeneigene Werkstraße (früher Kuhpäd) voll beladene Lastwagen rollen – Röhrig ist ein sehr komplexes Unternehmen mit vielen innovativen Ideen. Vom Splitt für Straßenbeläge allein könnte das Werk nicht mehr leben. Das ist Geschichte.

Ergebnis des von Seniorchef Gerhard Röhrig frühzeitig eingeleiteten Strukturwandels ist eine in Kooperation mit dem Zweigwerk Lampertheim erarbeitete Produktenpalette, die Experten Respekt abnötigt und bei Laien fast schon ungläubiges Erstaunen hervorruft. Röhrigs Veredelungstechniken machen es möglich, den Rohstoff Stein für Farben, Putze, bauchemische Produkte, Laminate und sogar für Tapeten einzusetzen. Die Entwicklungsphase für zahnmedizinische Verwendungsmöglichkeiten ist noch nicht abgeschlossen.

Natürlich wurde beim Workshop darauf geachtet, die Kinder nicht mit wissenschaftlichen Daten zu überfordern. Gelegen kam, was sie sehen und angreifen konnten. So ganz nebenbei wurden sie informiert über die Entstehung von Gesteinen und Mineralien, über ihre Farben, Härtegrade und Strukturen sowie über ihr Alter. Besonders hilfreich war dabei ein Blick durchs Mikroskop. Und mit nicht weniger Aufmerksamkeit wurde zugehört, als Mitarbeiter die Bedeutung des Rohstoffs fürs ganz normale menschliche Zusammenleben erläuterten.

Wenn Steine erzählen könnten . . . Mit ihnen werden Kindergärten, Kliniken, Schulen und Altersheime gebaut. Ohne Stein kein befestigter Bürgersteig und kein Sport- oder Spielplatzuntergrund, kein Wohnhaus und kein gekacheltes Bad, kein Schwimmbad und auch kein Teerbelag auf Straßen. Die Kinder hatten verstanden und werden wohl in Zukunft, so Marco Röhrigs stille Hoffnung, die Bedeutung des Rohstoffs bewusster wahrnehmen.

Was den eigenen Industriezweig anbelangt, schaut der Juniorchef eher skeptisch der Zukunft entgegen und spricht von einem „wohl steinigen Weg“. Besonders große Sorgen macht ihm dabei trotz allseits beklagter Arbeitslosenquote der schon jetzt absehbare Mangel an Fachkräften: „Wir brauchen gute Leute.“ Ausgebildet werden in dem Sonderbacher Unternehmen Aufbereitungs- und Verfahrensmechaniker sowie Industriekaufleute – natürlich immer beiderlei Geschlechts.

Bei der vorausgegangenen Werksbesichtigung konnten sich die Kinder über die abwechslungsreiche Arbeit informieren. Ein moderner Maschinenpark mit 120-Tonnen-Baggern und Muldenkippern, die 65 Tonnen Material aufnehmen können, sowie computergestützte Programme erleichtern den Abbau. Das Berufsbild vom „Steinklopfer“ ist von der Technik überholt worden und nur noch ein Stück Erinnerung.Die Werksleitung ermutigt andere Schulen dazu, sich über das Programm näher zu informieren. In Frage dafür kommen Klassen ab der zweiten. Voranmeldungen sind deshalb notwendig, weil sich die Workshops nicht beliebig wiederholen lassen. Einmal im Jahr allerdings, so Marco Röhrig, werde sich dies ermöglichen lassen.

 

  • Quelle: Echo Online